Kommentar von Zafer Şenocak
Kommentar von Zafer Şenocak zu den drei Poetikvorlesungen
Poetikvorlesung I:
Der Orient: Eine deutsche Phantasie? (20.04.2016)
„Die deutsche Sprache ist die Heimat zahlreicher Fiktionen über ‚den Orient‘, der mal als geographischer Begriff, ein andermal als Kulturraum definiert wurde. Wenn heute mit einer etwas schief gestellten Frage darüber diskutiert wird, ob der Islam zu Deutschland gehört, könnte die „Tausendundeine Nacht“ der deutschen Literatur- und Geistesgeschichte mit ihren schlafwandelnden Poeten und wachen Nachtreisenden manche Assoziation auslösen, die über die kahlen Debatten des heutigen Tages hinausreichen. Erinnern wir uns doch an Goethe und Klabund, Rückert und Heine, Nietzsche und Hegel.“
Poetikvorlesung II:
Imagination an der Grenze: Über Texte die fremdgehen (27.04.2016)
„Wem gehört die Literatur? Ihren Autoren? Den Lesern? Einer Sprache? Einer Nation? Macht die Form die Identitäten eines Textes aus? Was geschieht, wenn aus einem Gedicht ein Roman wird oder ein Aufsatz zum Gedicht? Nicht selten wird Sprache als Identitätsschlüssel benützt. In der Literatur aber fallen Identitäten auseinander und finden sich zu neuen Gefügen zusammen. Es beginnt ein Spiel mit Masken und Zeichen. Liegt das Losungswort im Werk verborgen?“
Poetikvorlesung III:
Lesarten der Identität: Neue Deutsche. Alte Muster? (04.05.2016)
„Es regt sich Widerstand. Die deutsche Kultur entpuppt sich als widerstandsfähig. Sie wird wieder vertreten von ‚Einheimischen‘ – verstanden als Abgrenzung gegen ‚Fremde‘. Wie funktioniert Kultur als Nationalsurrogat, im Zeitalter der Globalisierung? Wird man heimatlos, wenn man sich auf keine Vorfahren im Land berufen kann? An der Tür zum Deutschsein lauern Fallstricke und alte Muster. Und doch wird die Tür aufgestoßen werden. Kann man dann in der herkömmlichen Sprache noch verstehen, was einst deutsch war?“